Pflichtteil und Erbschaftssteuer – was viele Enterbte nicht wissen
Wer enterbt wurde, ist oft enttäuscht oder verletzt. Doch auch wenn man im Testament nicht berücksichtigt wurde, steht einem meist noch der sogenannte Pflichtteil zu. Was viele dabei übersehen: Auch auf diesen Pflichtteil kann Erbschaftssteuer fällig werden. Und das kann – je nach Vermögenslage – teuer werden.
Weiterlesen: Pflichtteil und Erbschaftssteuer – was viele Enterbte nicht wissenIn diesem Beitrag erklären wir:
- wann der Pflichtteil steuerpflichtig ist,
- worauf Pflichtteilsberechtigte achten müssen,
- und welche Gestaltungsmöglichkeiten es gibt, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Der Pflichtteilsanspruch: Anspruch, aber nicht steuerfrei
Kinder, Ehegatten und – bei kinderlosen Ehen – auch Eltern des Verstorbenen haben Anspruch auf einen Pflichtteil, wenn sie enterbt wurden. Das bedeutet: Sie erhalten einen bestimmten Geldbetrag, der sich am gesetzlichen Erbteil orientiert.
Doch: Auch wenn man selbst nicht Erbe wird, gilt der erhaltene Pflichtteil steuerlich als Erwerb von Todes wegen – und ist damit grundsätzlich erbschaftsteuerpflichtig.
Wann wird Erbschaftssteuer auf den Pflichtteil fällig?
Entscheidend ist nicht der Tod des Erblassers, sondern der Moment, in dem der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch geltend macht.
Nur wenn der Anspruch tatsächlich eingefordert und ausgezahlt wird, entsteht eine Steuerpflicht.
Wer den Pflichtteil nicht verlangt, muss auch keine Steuer zahlen – verliert aber das Recht nach drei Jahren.
Wie hoch ist die Steuerlast?
Das hängt ab von:
- der Höhe des Pflichtteils,
- dem Verwandtschaftsgrad zur verstorbenen Person,
- und dem Steuersatz, der zwischen 7 % und 30 % liegen kann.
Kinder und Ehegatten haben jeweils einen Freibetrag von 400.000 Euro. Nur Beträge, die darüber hinausgehen, sind zu versteuern.
Beispiel aus der Praxis: Wenn der Pflichtteil zur Steuerfalle wird
Herr M. aus Mainz hatte vor zwölf Jahren 300.000 Euro von seiner Mutter geschenkt bekommen – im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Sein Vater war bereits verstorben.
Nach dem Tod der Mutter wird er durch das Testament überrascht: Sein Bruder wird Alleinerbe, Herr M. wurde enterbt. Er macht seinen Pflichtteil geltend und erhält 200.000 Euro.
Dann meldet sich das Finanzamt: Es fordert rund 17.000 Euro Erbschaftssteuer.
Wie das?
Obwohl der Freibetrag für Kinder bei 400.000 Euro liegt, wurde dieser durch die frühere Schenkung bereits zu 300.000 Euro verbraucht. Damit sind nur noch 100.000 Euro steuerfrei, auf den Rest muss Herr M. Steuern zahlen.
Dieses Beispiel zeigt: Wer Pflichtteile erhält, sollte die steuerlichen Auswirkungen kennen – oder sich rechtzeitig beraten lassen.
Welche Fristen und Pflichten gelten?
Pflichtteilsberechtigte müssen ihren Erwerb innerhalb von drei Monaten nach Auszahlung des Pflichtteils dem Finanzamt anzeigen – formlos, aber fristgerecht.
Wird diese Frist versäumt, drohen:
- Verspätungszuschläge
- Zinsen auf die Steuer
- im Extremfall sogar Bußgelder
Gestaltungsmöglichkeiten: Pflichtteil clever planen
1. Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung
Der Erblasser kann mit seinen Kindern oder anderen Pflichtteilsberechtigten einen notariellen Pflichtteilsverzicht vereinbaren – meist gegen eine Abfindung zu Lebzeiten. Vorteil: Diese Zahlung kann zeitlich unter Ausnutzung der 10-Jahreszeiträume geplant werden und reduziert den steuerpflichtigen Nachlass. Somit weiß der Erblasser, dass seine Erben im Erbfall nicht noch einmal einen Pflichtteil in empfindlicher Höhe zahlen müssen. Der Pflichtteilsberechtigte kann die Freibeträge auf diese Weise bestmöglich ausschöpfen.
2. Schenkungen zu Lebzeiten
Schenkungen unterliegen einer 10-Jahres-Frist. Je weiter sie zeitlich zurückliegen, desto stärker reduzieren sie den Pflichtteil. Wer frühzeitig Vermögen überträgt, kann so sowohl den Pflichtteilsanspruch als auch die spätere Steuerlast senken.
3. Stundung oder Ratenzahlung bei Steuerlast
Wenn ein Pflichtteil zwar gezahlt wurde, aber die Erbschaftssteuer nicht sofort aufgebracht werden kann, lässt sich beim Finanzamt eine Stundung oder Zahlung in Raten beantragen – insbesondere bei unzumutbaren Härten.
Fazit: Pflichtteil prüfen – Steuerfallen vermeiden
Der Pflichtteil ist ein wichtiges Instrument zum Schutz naher Angehöriger. Aber er ist keine steuerfreie Entschädigung, sondern steuerlich relevant – insbesondere bei größeren Vermögen oder früheren Schenkungen.
Wer enterbt wurde, sollte nicht nur an sein Recht denken, sondern auch an die steuerlichen Folgen. Und wer ein Testament macht, sollte die Pflichtteilsansprüche frühzeitig in die Nachlassplanung einbeziehen.
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