Veris-Pascal Heintz, Fachanwalt für Erbrecht bei protego.legal
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Nachteile des Berliner Testaments und wie sie diese reduzieren können

Ehegatten können ihren Nachlass gemeinsam regeln. Häufig wird hierbei die Gestaltungsform des Berliner Testaments gewählt. In einem Berliner Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen, dass der gemeinsame Nachlass nach dem Tod des zuletzt Versterbenden an eine dritte Person – in der Regel die eigenen Kinder – fallen soll. 

Warum ist das Berliner Testament so beliebt? 

Meist entspricht es dem Wunsch von Ehepaaren, das gemeinsame Vermögen dem Längerlebenden ungeschmälert zu dessen Versorgung zu überlassen. Dieser Wunsch kann mit dem Berliner Testament umgesetzt werden. Es sorgt dafür, dass der Nachlass des zuerst verstorbenen Ehepartners zunächst nur dem überlebenden Ehepartner zukommt. Gleichzeitig wird verhindert, dass andere Personen – etwa weitere Miterben – Zugriff auf das geerbte Vermögen nehmen können. Dem überlebenden Ehegatten wird es ermöglicht, das Familienheim unbehelligt weiter zu bewohnen. 

Welche Nachteile hat das Berliner Testament? 

Auch wenn die Absicherung des Ehepartners sicherlich sinnvoll ist, bringt das Berliner Testament einige erbrechtliche und steuerliche Nachteile mit sich. 

  • Enterbung der Kinder führt zu Pflichtteilsansprüchen 

Das Berliner Testament hebelt die gesetzliche Erbfolge nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) aus. Nach der gesetzlichen Erbfolge würden die Kinder nach dem Tod eines Elternteils miterben. Durch das Berliner Testament werden die Kinder also beim Tod des ersten Elternteils „enterbt“. 

Einem „enterbten“ Kind steht nach dem Gesetz ein Pflichtteil an dem Nachlass des erstverstorbenen Elternteils zu (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). 

Hierzu ein Beispiel: Michael und Sabine sind im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Beide haben ein Berliner Testament errichtet, wonach ihre beiden Kinder, Jan und Daniela, ihre Schlusserben sein sollen. Michael stirbt bei einem Autounfall. Jan verlangt von seiner Mutter den Pflichtteil. Wäre hier die gesetzliche Erbfolge eingetreten, hätte Sabine die Hälfte geerbt, die beiden Kinder jeweils ein Viertel. Der Pflichtteil von Jan beläuft sich daher auf ein Achtel. 

Der Pflichtteil ist die gesetzliche Mindestbeteiligung am Nachlass eines Elternteils, die einem Kind nicht so einfach versagt werden kann. Die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des Erstversterbenden kann aber durch eine entsprechende Gestaltung des Testaments weniger attraktiv gemacht werden, z.B. durch Aufnahme einer „Pflichtteilsstrafklausel“. Darüber hinaus besteht die Option, schon zu Lebzeiten auf den Pflichtteil zu verzichten. 

  • Bindungswirkung nach Eintritt des ersten Erbfalls

Die in dem Berliner Testament vorgenommenen Erbeinsetzungen sind als wechselbezügliche Verfügungen verbindlich und können nur zu Lebzeiten noch aufgehoben oder widerrufen werden. Nach dem Tod eines Ehepartners ist der überlebende Ehepartner jedoch gehindert, die wechselbezüglichen Verfügungen zu widerrufen oder nochmals neu zu testieren. Möchten die Ehepartner dem überlebenden Ehepartner die Möglichkeit geben, später nochmals abweichend testieren zu können, muss dies in dem gemeinschaftlichen Testament bereits festgelegt werden. 

  • Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer 

Das Vermögen des erstversterbenden Ehegatten wird beim Berliner Testament zweimal der Erbschaftsteuer unterworfen. Zunächst wird das Vermögen im ersten Erbfall als steuerpflichtiger Erwerb des Ehegatten behandelt. Im zweiten Erbfall wird dieses Vermögen nochmals besteuert, dann als steuerpflichtiger Erwerb der Kinder. 

Sollte das jeweils vererbte Vermögen die erbschaftsteuerlichen Freibeträge (500.000,00 EUR für den Ehegatten und 400.000,00 EUR je Kind) überschreiten, kann es beim Berliner Testament somit zu einer zweifachen Erbschaftsteuerbelastung kommen. 

  • Freibeträge der Kinder bleiben ungenutzt 

Kinder haben einen Freibetrag von 400.000,00 EUR, den sie für jeden Elternteil in Anspruch nehmen können. Beim Berliner Testament erben die Kinder aber lediglich von dem zuletzt versterbenden Elternteil. Dadurch wird der Freibetrag der Kinder nach dem erstverstorbenen Elternteil faktisch „verschenkt“. 

Auch hierzu ein Beispiel: Alfred und Beate haben sich für ein Berliner Testament entschieden. Im Schlusserbfall soll ihre Tochter Christine alles bekommen. Beide haben ein Vermögen von jeweils rund 300.000,00 EUR. Beate verstirbt zuerst und wird von Alfred beerbt. Aufgrund des Freibetrages für Ehegatten in Höhe von 500.000,00 EUR entsteht im ersten Erbfall keine erbschaftsteuerliche Belastung. Kurz darauf verstirbt Alfred. Das Gesamtvermögen von 600.000,00 EUR geht auf Christine über, deren Freibetrag aber lediglich bei 400.000,00 EUR liegt. Christine unterliegt der Steuerklasse I und hat ihren Erwerb von 200.000,00 EUR mit einem Steuersatz von 11 % zu versteuern. Es entsteht somit eine Erbschaftsteuer von 22.000,00 EUR. Die Entstehung dieser Steuer hätte vermieden werden können. 

Es empfiehlt sich, das Berliner Testament zu modifizieren, um die Freibeträge effektiver auszunutzen und die Steuerbelastung erheblich zu mindern. So kann das Berliner Testament beispielsweise um Vermächtnisse zugunsten der gemeinsamen Kinder ergänzt werden, die bereits beim Tod des erstversterbenden Ehegatten anfallen. 

Fazit

Das Berliner Testament kann, je nach Umfang des Nachlasses, eine hohe Steuerbelastung nach sich ziehen. Durch eine individuell angepasste Gestaltung des gemeinschaftlichen Testaments können mögliche steuerliche und pflichtteilsrechtliche Risiken reduziert werden. Ein von uns entworfenes Testament ist steueroptimiert und trägt dazu bei, Konflikte im Erbfall zu vermeiden. 

Sprechen Sie uns gerne an. Wir unterstützen Sie bei der Nachlassplanung und der Errichtung eines formwirksamen letzten Willens. 

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