Fachanwalt für Erbrecht

Wie komme ich aus einer Erbengemeinschaft heraus? 

Wenn mehrere Personen erben, bilden diese eine Erbengemeinschaft. Dieser ungewohnte und zumeist unfreiwillig zustande gekommene Zusammenschluss lässt viele Menschen ratlos zurück. Sie fühlen sich gefangen und wissen nicht genau, wie sie sich von den Miterben trennen können oder welche Möglichkeiten es gibt, um Konflikte zu vermeiden. Dabei ist klar: Die Erbengemeinschaft ist grundsätzlich auf Auseinandersetzung ausgelegt. Das bedeutet, dass sie nur dann dauerhaft bestehen bleibt, wenn alle Beteiligten zustimmen und eine gemeinsame Verwaltung organisiert bekommen. 

In diesem Beitrag erfahren Sie, warum das Verbleiben in einer Erbengemeinschaft oft problematisch ist, welche Risiken bestehen und welche Wege es gibt, um aus der Erbengemeinschaft auszuscheiden. 

„Vertragt Ihr Euch noch oder habt Ihr schon geerbt?“ – Warum ist die Erbengemeinschaft so konfliktanfällig? 

Eine Erbengemeinschaft entsteht automatisch, wenn mehrere Personen gemeinsam Vermögen erben. Das kann ein Haus, Geld oder andere Vermögenswerte sein. All diese Vermögenswerte müssen unter den Miterben geteilt werden. Das ist bei Geld noch relativ einfach möglich. Bei Immobilien gestaltet sich die Situation deutlich schwieriger, weil ein Grundstück nicht einfach unter den Miterben aufgeteilt werden kann. Es wird regelmäßig erforderlich sein, das Grundstück zu verwerten und den Erlös zu verteilen. 

Letztlich müssen sich alle Miterben verständigen, was mit dem Nachlassvermögen geschehen und wer was bzw. wie viel aus dem Nachlass erhalten soll. Das Problem: Nicht immer stimmen alle Miterben überein. Manche möchten verkaufen, andere wollen Grundbesitz veräußern. Einige haben persönliche Differenzen oder unterschiedliche Vorstellungen darüber, was mit dem Nachlass geschehen soll. 

Wenn keine Einigung erzielt wird, kann das zu langwierigen Streitigkeiten führen, die nötigenfalls sogar vor Gericht ausgefochten werden müssen. Derartige Teilungsverfahren sind teuer und emotional belastend. 

Warum das Verbleiben in der Erbengemeinschaft riskant ist 

Wer in einer Erbengemeinschaft verbleibt, lebt quasi mit den anderen Miterben zusammen, ohne jedoch frei über das Vermögen verfügen zu können. 

Das kann bedeuten: 

  • Streit um Entscheidungen: Wer darf verkaufen? Wer entscheidet über Reparaturen, Vermietungen usw.? 
  • Unklare Verhältnisse: Es besteht Unsicherheit darüber, wann und wie das Vermögen aufgeteilt wird. 
  • Finanzielle Belastungen: Sofern die liquiden Nachlassmittel nicht ausreichen, kann es erforderlich werden, für gemeinsame Schulden oder laufende Kosten aus dem eigenen Vermögen in Vorlage treten zu müssen. 
  • Emotionale Belastung: Konflikte zwischen den Miterben belasten die ganze Familie. 

Von daher ist es für viele Betroffene sinnvoller, möglichst rasch einen Weg zu finden, um aus einer Erbengemeinschaft auszuscheiden. 

Wie kann ich aus einer Erbengemeinschaft aussteigen? 

Es gibt verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um sich aus einer Erbengemeinschaft zu lösen. Zu den wichtigsten gehören: 

1. Einvernehmliche Auflösung durch Vereinbarung 

Idealerweise gelingt eine tatsächliche Verständigung aller Miterben. Sie einigen sich darauf, wer was erhält. Diese Vereinbarung sollte schriftlich festgehalten werden. Sollte es hierbei zu einer Grundstücksübertragung kommen – z.B. Übernahme eines Grundstücks durch einen Miterben gegen Zahlung einer Abfindung – müsste die notarielle Form eingehalten werden. 

2. Verkauf oder Schenkung des Erbteils 

Der Erbteil kann sowohl an einen anderen Miterben als auch an außenstehende Dritte verkauft oder verschenkt werden. Erforderlich ist ein notarieller Erbteilskaufvertrag bzw. ein notarieller Schenkungsvertrag über den Erbteil. Bei dieser Gestaltung müssen die schenkungsteuerrechtlichen Folgen besonders in den Blick genommen werden. 

3. Streitige Erbauseinandersetzung durch Erbteilungsklage 

Sofern eine einvernehmliche Regelung oder ein Verkauf/eine Schenkung nicht in Frage kommt, kann die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft mit gerichtlicher Hilfe erreicht werden. Bevor eine Erbauseinandersetzung jedoch im Klageweg durchgesetzt werden kann, muss zuerst die erforderliche „Teilungsreife“ bestehen, d.h. alle Nachlassverbindlichkeiten müssen beglichen sein und die Teilung der Nachlassgegenstände ist tatsächlich möglich. Bei Grundbesitz muss die „Teilungsreife“ häufig erst durch eine Teilungsversteigerung herbeigeführt werden.  

Die streitige Erbauseinandersetzung birgt erhebliche prozessuale Risiken und ist äußerst zeitintensiv. 

4. Abschichtung (Ausscheiden gegen Abfindung) 

Die Abschichtung ist ein besonders schneller und galanter Weg, um sich als Miterbe aus der Erbengemeinschaft zu lösen. Bei der Abschichtung scheidet ein Miterbe gegen Zahlung einer Abfindung aus der Erbengemeinschaft aus, der jeweilige Erbanteil wächst dann den in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben zu. Die Ermittlung eines angemessenen Abfindungsbetrags wird häufig Schwierigkeiten machen, da auch hier die Vorstellungen der Beteiligten stark auseinandergehen können. 

5. Ausschlagung des Erbes 

In besonders verfahrenen Konstellationen und bei einem nicht sehr werthaltigen Nachlass mag es sinnvoll – möglicherweise sogar notwendig – sein, das Erbe auszuschlagen. Durch die Ausschlagung des Erbes wird auf alle Rechte am Nachlass verzichtet. Wer ausschlägt, scheidet aus der Erbengemeinschaft aus und muss sich nicht weiter mit aufkommenden Konflikten beschäftigen. 

Wichtig: Die Ausschlagung muss innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen (meist innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall). Sie sollte gut überlegt sein und ist meist nur bei erheblichen Schulden zu empfehlen. 

Fazit: 

In einer Erbengemeinschaft kommt es regelmäßig zu Konflikten. Je länger eine Auseinandersetzung nach hinten verschoben wird, desto größer werden die emotionalen und finanziellen Belastungen. Deshalb ist es wichtig, sich frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen. 

Ein Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Erbrecht kann Sie dabei beraten, welche Lösung für Ihre individuelle Sitation am besten geeignet ist – sei es durch Verhandlungen, gerichtliche Verfahren oder andere rechtliche Optionen. 

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