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Erbengemeinschaft: Welche Ansprüche haben Miterben?

Rechte, Pflichten & Handlungsmöglichkeiten einfach erklärt

Wenn ein Angehöriger verstirbt, kommt neben der Trauer oft eine Vielzahl rechtlicher Fragen auf die Hinterbliebenen zu. Wenn mehrere Personen erben, entsteht automatisch eine Erbengemeinschaft – und mit ihr eine komplexe Situation, die viele Laien zunächst überfordert.

In unserer täglichen Praxis als Fachanwälte für Erbrecht begleiten wir viele Menschen, die sich plötzlich in einer Erbengemeinschaft wiederfinden – häufig ohne zu wissen, was das konkret für sie bedeutet.

„Was darf ich als Miterbe?“, „Wie komme ich an meinen Anteil?“, „Wer muss sich um was kümmern?“, „Wie werden laufende Kosten getragen?“, „Was tun, wenn sich jemand querstellt?“

Dieser Artikel soll Ihnen als Einstieg dienen. Wir erklären verständlich, welche Ansprüche Sie als Miterbe haben und welche Schritte Sie gehen können, um Ihre Interessen zu wahren – außergerichtlich oder, wenn nötig, gerichtlich.

1. Was ist eine Erbengemeinschaft – und wie funktioniert sie?

Sobald mehrere Personen gemeinsam Erbe werden – zum Beispiel Kinder, Ehepartner oder Geschwister – entsteht automatisch eine Erbengemeinschaft. Das ist gesetzlich so geregelt (§ 2032 BGB) und kann auch nicht einfach umgangen werden.

Die Erbengemeinschaft ist eine sogenannte Gesamthandsgemeinschaft. Das bedeutet: Der Nachlass gehört allen Miterben gemeinsam. Kein Miterbe darf allein über einzelne Nachlassgegenstände verfügen, sondern nur alle gemeinsam.

Ein typisches Beispiel:
Gehört eine Immobilie zum Nachlass, gehört diese allen Miterben gleichermaßen, nicht jedem Miterben zu einem Bruchteil (also nicht jedem zu 1/3 oder ½). Das bedeutet, dass niemand die Immobilie einfach verkaufen oder vermieten – solche Entscheidungen müssen einvernehmlich von allen Miterben getroffen werden.

2. Welche Rechte hat ein Miterbe?

Als Miterbe haben Sie eine ganze Reihe von Rechten, die Sie kennen sollten – besonders dann, wenn es in der Gemeinschaft knirscht.

a) Auskunftsansprüche (§§ 2027, 2028 BGB)

Jeder Miterbe hat das Recht, umfassende Auskunft über den Nachlass zu verlangen – sowohl von den Miterben als auch von Dritten wie Banken oder Versicherungen.

Dazu gehören u. a.:

  • Kontoinformationen
  • Immobilienwerte
  • Schulden des Erblassers
  • Schenkungen zu Lebzeiten
  • Nachlassverzeichnisse

Gerade bei Unklarheiten oder dem Verdacht, dass etwas verschwiegen wurde, ist dieses Recht zentral.

Doch Vorsicht:

Das Auskunftsrecht gegenüber Miterben ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Ein Auskunftsanspruch unter Miterben kann zum Beispiel dann bestehen, wenn einer der Miterben den Erbfall federführend abgewickelt hat und dadurch einen Wissensvorsprung innehat oder einer der Miterben Nachlassgegenstände an sich genommen hat. Ein Auskunftsanspruch besteht auch gegen den Hausgenossen, also MitbewohnerIn oder PartnerIn des Erblassers.

b) Mitbestimmung bei der Nachlassverwaltung (§§ 2038 ff. BGB)

Die Erbengemeinschaft ist verpflichtet, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten. Dazu zählen z. B.:

  • Zahlung offener Rechnungen
  • Sicherung von Vermögenswerten
  • Verwaltung von Immobilien

Kein Miterbe darf allein handeln – alle Entscheidungen müssen gemeinsam getroffen werden. Jeder Miterbe hat das Recht, mitzubestimmen und sich einzubringen.

c) Anspruch auf Auseinandersetzung (§ 2042 BGB)

Perspektivisch soll die Erbengemeinschaft aufgelöst werden – durch die sogenannte Auseinandersetzung. Das bedeutet: Der Nachlass wird verteilt, sodass jeder seinen Anteil erhält.

Jeder Miterbe hat das Recht, die Auseinandersetzung einzufordern. Das kann einvernehmlich oder – bei Uneinigkeit – auch gerichtlich geschehen.

d) Ausgleichsansprüche für besondere Leistungen (§ 2057a BGB)

Ein Punkt, der in vielen Erbengemeinschaften zu Spannungen führt, ist die Frage: „Was ist mit den Angehörigen, die sich besonders gekümmert haben? Angehörige, die den Erblasser gepflegt haben?“

Gerade in Familien kommt es häufig vor, dass ein Kind über Jahre hinweg den Erblasser gepflegt, im Haushalt geholfen oder sich um Behördengänge gekümmert hat – oft neben Beruf und eigener Familie. Solche Leistungen haben nicht nur einen ideellen, sondern auch einen wirtschaftlichen Wert. Das erkennt auch das Gesetz an.

§2057a BGB gibt Miterben, die sich durch Pflege, finanzielle Unterstützung oder Mitarbeit im Betrieb besonders um den Erblasser verdient gemacht haben, einen Ausgleichsanspruch innerhalb der Erbengemeinschaft.

Wichtig dabei:

  • Der Anspruch richtet sich nicht gegen den Nachlass, sondern gegen die Miterben im Rahmen der Auseinandersetzung.
  • Die erbrachten Leistungen müssen über das „Übliche“ hinausgehen – also deutlich mehr als das, was z. B. ein Familienmitglied aus bloßer Verbundenheit tun würde.
  • Der Wert der Leistung wird nicht 1:1 in Geld ausgedrückt, sondern fließt in die Berechnung der Erbquote ein – der ausgleichsberechtigte Miterbe erhält dadurch einen größeren Anteil am Nachlass.

Beispiel aus unserer Praxis:
Eine Tochter pflegt ihre Mutter über fünf Jahre hinweg täglich mehrere Stunden. Nach dem Tod entsteht eine Erbengemeinschaft mit ihren Geschwistern. Sie hat Anspruch auf eine Ausgleichung nach § 2057a BGB, obwohl kein Pflegevertrag bestand – weil ihre Leistung weit über das normale Maß familiärer Hilfe hinausging.

Wir prüfen in solchen Fällen sehr genau, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und helfen, den Anspruch konkret zu beziffern und durchzusetzen – notfalls auch gegenüber skeptischen Miterben.

3. Was darf ein Miterbe nicht?

Oft erleben wir in der Beratung, dass einzelne Miterben im Alleingang handeln, weil sie sich im Recht wähnen. Doch das Gesetz sieht klare Grenzen vor:

  • Keine Verfügung über Nachlassgegenstände ohne Zustimmung
    Beispiel: Ein Auto aus dem Nachlass darf nicht einfach verkauft werden – auch nicht anteilig. Ein Konto darf nicht im Alleingang aufgelöst werden.
  • Keine Alleinnutzung ohne Einverständnis
    Wer allein in der geerbten Immobilie wohnt, muss unter Umständen Nutzungsentschädigung zahlen.

4. Pflichten in der Erbengemeinschaft – was alle wissen sollten

Neben Rechten gibt es auch Pflichten, die für alle Miterben gelten:

a) Pflicht zur Mitwirkung

Ohne Kooperation läuft nichts: Die Miterben sind verpflichtet, an Entscheidungen und an der Auseinandersetzung mitzuwirken. Wer sich komplett verweigert, kann unter Umständen auf Mitwirkung verklagt werden.

b) Haftung für Nachlassverbindlichkeiten

Alle Miterben haften gemeinsam für die Schulden des Erblassers – auch dann, wenn sie selbst keine Kenntnis davon hatten.

Das umfasst:

  • Bankkredite
  • offene Rechnungen
  • Steuerschulden
  • Pflichtteilsansprüche Dritter

Wichtig: Die Haftung kann im Einzelfall begrenzt werden – etwa durch die Ausschlagung der Erbschaft oder durch einen Antrag auf Nachlassinsolvenz.

5. Wenn es Streit gibt – typische Konflikte & Lösungen

In unserer Praxis sind Konflikte in Erbengemeinschaften leider eher die Regel als die Ausnahme. Besonders häufig erleben wir:

  • Uneinigkeit über Immobilien (verkaufen oder behalten?)
  • Misstrauen gegenüber einzelnen Miterben
  • Unklare oder widersprüchliche Testamente
  • Blockaden bei der Auseinandersetzung

Solche Konflikte können schnell eskalieren – müssen es aber nicht. Mit juristisch fundierter Moderation oder klarer Kommunikation lassen sich viele Auseinandersetzungen außergerichtlich lösen.

6. Welche Optionen habe ich als Miterbe?

Wenn eine Einigung nicht möglich ist oder Sie sich aus der Erbengemeinschaft lösen möchten, gibt es verschiedene rechtliche Wege:

a) Verkauf des Erbteils (§ 2033 BGB)

Ein Miterbe kann seinen Anteil am Nachlass verkaufen – entweder an einen Dritten oder an einen der Miterben. Die übrigen Miterben haben in diesem Fall ein gesetzliches Vorkaufsrecht.

b) Teilungsversteigerung (§ 180 ZVG)

Bei unteilbaren Gegenständen wie Immobilien kann ein Miterbe eine Teilungsversteigerung beantragen. Das Objekt wird öffentlich versteigert, der Erlös unter den Miterben verteilt. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass die Verteilung des Erlöses eine Einigung der Miterben voraussetzt. Kann sich die Erbengemeinschaft nicht über die Verteilung des Erlöses einigen, weil zum Beispiel noch offene Rechnungen oder ein Ausgleich für Pflegeleistungen zur Diskussion steht, wird der Erlös bei Gericht hinterlegt. Die Konsequenz ist, dass keiner der Miterben an das ihm zustehende Geld kommt -solange, bis eine Einigung vorliegt.

Zu beachten ist auch, dass dieses Verfahren zu einem deutlichen Wertverlust führen kann und sollte daher nur als letzter Ausweg in Betracht gezogen werden.

c) Anwaltlich begleitete Einigung

In vielen Fällen ist eine professionelle Begleitung des Prozesses durch einen Fachanwalt für Erbrecht der beste Weg, um schnelle, faire und rechtssichere Lösungen zu finden. In den meisten Fällen ist dies außergerichtlich möglich.

7. Fazit: Informiert entscheiden – mit professioneller Unterstützung

Die Ansprüche in einer Erbengemeinschaft sind rechtlich klar geregelt – doch die Umsetzung ist oft alles andere als einfach. Unterschiedliche Interessen, fehlende Transparenz und persönliche Spannungen können die Abwicklung belasten oder sogar blockieren. Auch Zeitablauf kann dazu führen, dass sich die Fronten verhärten und Spannungen überhaupt erst entstehen.

Als erfahrene Kanzlei für Erbrecht wissen wir: Wer seine Rechte kennt und frühzeitig professionellen Rat einholt, kann viele Konflikte vermeiden oder klug lösen.


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